Der Palisanderschock – ein Jahr danach

Sind Gitarren illegal?

Ähnlich wie ich werdet auch ihr von den Neuigkeiten des Washingtoner Artenschutzübereinkommen (=CITES) im Herbst 2016 völlig überrascht worden sein: Ab da sind nämlich sämtliche Palisanderarten mindestens im Anhang II des Abkommens gelistet. Das bedeutet, dass der Handel mit diesen Hölzern dokumentiert werden muss. Der Grund für diese Entscheidung ist deren Schutz, denn Raubbau sowie der illegale Handel mit den verschiedenen Palisanderarten haben den Beständen arg zugesetzt – was aber auch für viele andere Hölzer gilt. Warum also ausgerechnet Palisander?

Der wahre Grund?

Unter der Hand ist zu hören, warum Palisander gewählt wurde, nämlich gerade weil es so häufig auf Gitarren zu finden ist. Das Thema steht so wesentlich schneller im Fokus der Öffentlichkeit, als wenn es sich um ein x-beliebiges asiatisches Holz ohne emotionalen Bezug handelte. Ob das stimmt sei dahingestellt. Sicher ist jedenfalls, dass das Jahr 2017 einen deutlichen Wandel in der Gitarrenlandschaft zeigte. Viele Hersteller haben ihre Modellpalette komplett von Palisander befreit und bieten nur noch Instrumente an, die ohne den Aufwand für CITES-Bescheinigungen zu verkaufen sind. Andere Hersteller haben die Preise für Palisandergitarren nach oben korrigiert – zum Teil drastisch. Das Problem bei Gitarren mit Palisanderbestandteilen besteht nämlich vor allem in dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand. Der muss natürlich bezahlt werden.

Uiii – Holzporno! Das hier ist Zirikote, die Gitarre kommt von Stevens. Wer braucht da noch Palisander?

Was unterscheiden Palisander und Cannabis?

Palisander ist nicht illegal! Es ist nicht verboten (nein, ganz und gar nicht, ausdrücklich nicht!), eine Palisandergitarre zu besitzen, sie zu spielen, mit ihr zu reisen (hier gelten jedoch Einschränkungen, wenn man über die EU-Außengrenzen reist), mit ihr aufzutreten, sie zur Schau zu stellen oder gar sie zu verkaufen. Man muss nur beim Verkauf – und nur dann! – nachweisen, dass das Instrument bei einer Naturschutzbehörde registriert ist, entweder als so genannter Vorbesitz (also vor Januar 2017) oder eben mit einer entsprechenden Bescheinigung des Händlers oder Vorbesitzers.

With a little help …

Es scheint vergleichsweise einfach zu sein, an eine solche Vorbesitzbescheinigung zu kommen, auch wenn man keinen Kaufbeleg mehr besitzt. In den meisten Fällen reicht wohl die Aussage der Oma, eines Freundes oder sogar ein entsprechend datierbares Foto. Näheres erfahrt ihr bei den hilfsbereiten Beamten der Naturschutzbehörde.

Was nun?

Palisander ist also out – aber was bedeutet das für uns? Überraschend wenig, wenn man es genau betrachtet! Palisander als Tonholz wird für Boden und Zargen von Akustikgitarren verwendet, ist aber nur ein Holz unter vielen. Gut – es ist das beliebteste, und es ist das Holz, an dessen Klang wir uns am meisten gewöhnt haben. Aber es ist nicht unersetzlich.

In der Tradition von Torres: Eine Klassikgitarre von Rissmann mit Boden und Zargen aus Vogelaugenahorn.

Sehen wir uns „La Leona“ genauer an, die wohl berühmteste Gitarre der Geschichte zumindest der Klassiker. Dann wird deutlich, warum es nicht immer nur Palisander sein muss. Gebaut wird sie Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Spanier Antonio de Torres. Sie wird gelobt für ihren mächtigen und doch sanften Ton. Eine Palisandergitarre? Keineswegs! Boden und Zargen bestehen aus Zypressenholz, das vor Ort wächst und daher vor allem verfügbar und billig ist. Palisander verwendete Torres übrigens auch auch – aber meist aus optischen Gründen.

Für die Optik …

Eine Zarge mit Palisanderfurnier. Oder ist es vielleicht doch Tilia?

Bei günstigen Gitarren mit Boden und Zargen aus Sperr- oder Schichtholz gibt es inzwischen Materialien, die optisch nicht von indischem Palisander zu unterscheiden sind – beispielsweise das von Sigma benutzte Tilia. Oder man greift zu Furnieren wie Macasar Ebony, Koa oder Zirikote, alles Hölzer, die eine atemberaubende Optik bieten. Im Fall von Sperrhölzern fallen die akustischen Eigenschaften auch nicht ins Gewicht. Diese Hölzer klingen natürlich auch als Massivholz ausgezeichnet, aber eben anders als Palisander.

„Wir machen sie braun‘‘ – Bob Taylor mit einer Ahorn-Taylor aus der überarbeiteten 600er-Serie.

Eine kleine Geschichte gibt es von Taylor Guitars zu erzählen. Hier hat man sich lange Zeit schwer getan, die Ahorngitarren der 600er-Serie zu verkaufen. Dann hat der neue Gitarrenbaumeister Andy Powers die Dinge in die Hand genommen und unter anderem ein Bracing entwickelt, das dem klanglichen Potential von Ahorn eher gerecht wird. Vor allem aber sind die 600er-Gitarren ab da dunkelbraun gefärbt. Das Auge hört mit!

… oder den Sound

Überhaupt ist der Klang einer Gitarre stark von Moden abhängig. In diesem Fall ist nicht einmal die akustische Mode gemeint, von der der Gitarrenklang natürlich auch abhängig ist, sondern eine gesellschaftliche Erscheinung – eben „Modeerscheinung“. Frühe Gitarren baute man aus Ahorn, später aus Riopalisander oder Mahagoni, heute ist es standardmäßig Palisander. Und morgen? Das hängt von der Verfügbarkeit ab sowie von der Bereitschaft speziell der Gitarrenbauer, aus den entsprechenden Hölzern das Optimum heraus zu kitzeln.

Zargen aus thermisch verändertem Holz – mit den akustischen Eigenschaften von Riopalisander.

Wer dem Palisanderklang an sich nachtrauert: Es ist Rettung in Sicht! Die Forschung ist inzwischen so weit, dass man einheimischen Hölzer wie beispielsweise Erle durch Thermobehandlung ähnliche klangliche Eigenschaften wie die des vielgelobten Riopalisanders aufpfropfen kann. Mit dem Biegen zur Herstellung von Zargen tut man sich zwar noch ein bisschen schwer, aber das kommt sicher noch.

Nicht von Pappe!

Werden wir Palisander also vermissen? Natürlich werden wir das. Aber Palisander ist nicht aus der Welt; es ist nur etwas teurer geworden, eine Gitarre aus diesem Holz zu besitzen. Wer jedoch den ökologischen Gedanken ernst nimmt, wird leichten Herzens und mit gutem Gewissen zu einer Gitarre aus alternativen Hölzern greifen – und muss dabei nicht einmal Einbußen bei der Klangqualität an sich hinnehmen. Eine gute Gitarre ist eine gute Gitarre, egal woraus sie gefertigt ist – siehe Torres. Der baute dereinst sogar eine Gitarre mit Zargen und Boden aus Pappmaché!

Jürgen Richter

2 Antworten auf „Der Palisanderschock – ein Jahr danach“

  1. Danke für den Kommentar und die Links! Natürlich sind nicht die Musikinstrumente das Problem, aber es wird zu dem von Musikinstrumenten-Herstellern und -Händler gemacht – die aber mit ihren im Vergleich geringem Materialverbrauch zumindest nicht ursächlich an der Situation schuld sind. Zumindest wurde das Problem dadurch in den Fokus der hiesigen Öffentlichkeit gerückt, denn Gitarren beim Händler um die Ecke sind uns dann doch näher als Tische in Shanghai. Kurioserweise konnte man dennoch unbehelligt Palisandermöbel im hiesigen Baumarkt kaufen. Wie dem auch sei: Angeblich sollen die CITES-Bestimmungen für Musikinstrumente wieder gelockert werden. Außer Spesen also nix gewesen – die aber für viele Hersteller Existenz bedrohend waren und sind.
    JR

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